Haftung der Skischule für Fehlverhalten des Skilehrers

Entscheidung des Landgerichts Deggendorf vom 12.11.2014 – Az. 22 O 298/14

(Auszüge)

Leitsatz:

  1. Skilehrer dürfen dem Schüler keine Risiken zumuten, denen diese mit ihren Fähigkeiten bei den gegebenen Schnee- und Witterungsverhältnissen nicht gewachsen sind. Aus diesen Gründen hat der Skilehrer mit seinen Schülern abseits vom allgemeinen Sportbetrieb zu üben und setzt die Skischüler den drohenden Gefahren des allgemeinen Sportbetriebes nicht aus. (Leitsatz der LSK-Redaktion)

(…)

Tatbestand

Die Klägerin begehrt immateriellen Schadensersatz aus einem Skiunfall.

Die Klägerin unternahm am 2.2.2014 mit ihrer Familie den Versuch, das Skifahren zu erlernen. Behufs dessen begab sie sich zur Skischule des Beklagten und buchte dort für ihre Familie eine Unterrichtsstunde. Diese Stunde hielt für den Beklagten der bei ihm angestellte Skilehrer … Er führte die Klägerin nebst Familie auf eine blaue Piste im Arbergebiet, welche er mit der Familie hinabfuhr. Ca. 100 m vor der Talstation war die Gruppe stehen geblieben und der Skilehrer … wies die Klägerin an, trotz von oben herannahender Skifahrer, erneut loszufahren. An diesem Tage war die Skipiste viel befahren. Der Anweisung des Skilehrers folgend, startete die Klägerin erneut, bis ihr nach wenigen Metern ein von oben herannahender Skifahrer über die vorderen Skier fuhr. Die Klägerin kam dabei zu Sturze und erlitt eine Maisonneuve-Verletzung bei undislozierter proximaler Fibularfraktur und Syndesmosenruptur rechtes Sprunggelenk. Hinzu kamen Zeichen geringgradiger Bone-bruises des Tibiakopfes postero-lateral und postero-medial. Hinsichtlich der erlittenen Verletzungen wird auf das ärztliche Attest der Kreiskrankenhäuser Z.-V. vom 7.2.2014 (Anlage K 2) und des Dr. med.(|Hm| vom 19.2.2014 (Anlage K 3) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Der Beklagte schuldet der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld (…)

Der beim Beklagten angestellte Skilehrer … den sich der Beklagte zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient hat, § BGB § 278 BGB, hat den Skiunfall schuldhaft verursacht, weil er die erste Skistunde auf einem nicht geeigneten Hang durchführte. Nach übereinstimmendem Vortrag beherrschte die Klägerin das Skifahren nicht und hatte ihre erste Übungsstunde beim Beklagten gebucht. Gem. Ziff. III „Sicherheitsvorschriften in Wintersportorten E (Skischulen, Skilehrer und Bergführer) Nr. 3“ dürfen Skilehrer dem Schüler keine Risiken zumuten, denen diese mit ihren Fähigkeiten bei den gegebenen Schnee- und Witterungsverhältnissen nicht gewachsen sind. Aus diesen Gründen hat der Skilehrer mit seinen Schülern abseits vom allgemeinen Sportbetrieb zu üben und setzt die Skischüler den drohenden Gefahren des allgemeinen Sportbetriebes nicht. Stattdessen hat der beim Beklagten angestellte Skilehrer die Übungsstunde auf einer blauen Piste im allgemeinen Sportbetrieb und das auch noch an einem Tag, an dem. die Piste viel befahren war, erteilt und die Klägerin sehr wohl den drohenden Gefahren des allgemeinen Sportbetriebes ausgesetzt. Er hat die Klägerin sogar angewiesen, anzufahren, obwohl sich von oben andere Skifahrer annäherten. Zumindest hatte er es unterlassen, dafür Sorge zu tragen, dass die Klägerin, welche er anzuleiten hatte, nicht entgegen FIS-Regel 5 anfährt, obwohl sich Skifahrer von oben annäherten. Mit diesem Verfahren hat er gegen die oben aufgezeichneten Verpflichtungen aus dem Unterrichtsverhältnis verstoßen.

Ein Mitverschulden der Klägerin ist nicht ersichtlich. Ein Mitverschulden wäre selbst dann nicht gegeben, wenn die Klägerin auch ohne Anweisung des Skilehrers angefahren wäre. Es wäre nämlich die Pflicht des Skilehrers gewesen, die Klägerin insoweit zu unterweisen und ein gefahrloses Anfahren zu ermöglichen. Dabei hatte der Skilehrer bereits bei der Wahl des Ortes, an dem er die Klägerin unterrichtet, gegen seine Verpflichtungen aus dem Ausbildungsvertrag verstoßen.

(…)

 

Anmerkung:

 

Die Entscheidung des Gerichts ist zu begrüßen. Sie stellt klar, dass zu den Aufgaben eines Schneesportlehrers nicht nur das eigentliche Unterrichten gehört, sondern auch, dafür Sorge zu tragen, dass dem (absoluten) Anfänger die meist vorhandene Angst genommen wird.

Denn allzu häufig bewirkt erst diese Angst beim Schneesport-Schüler eine verkrampfte, unsichere Fahrweise, welche dann wiederum zu Fahrfehlern und im ungünstigsten Fall zu Unfällen oder Verletzungen führt.

 

Um die beim Skianfänger vorhandene Angst in den Griff zu bekommen, muss der Skilehrer aber nicht nur über didaktische und psychologische Fähigkeiten verfügen, sondern eben auch ein solches Gelände wählen, wo die Gefahr einer Kollision mit anderen Pistennutzern möglichst gering ist.

Sogar manch guter Skifahrer tut sich bei überfüllten Pisten schwer. Folglich wirkt eine solche Piste für einen Anfänger fast traumatisch und kann ihm den Spaß am Skisport nachhaltig vergällen.

 

Davon abgesehen ist ein Skilehrer in einer solchen Situation oft kaum in der Lage, einen vernünftigen Kursablauf zu gewährleisten.

Denn er wird – oder müsste – im Grunde genommen alle Aufmerksamkeit dahingehend verwenden, Kollisionen seiner Schüler mit anderen Pistennutzern zu vermeiden.

 

Entsprechend sehen auch die Prüfungs-Anforderungen des Deutschen Skilehrer-Verbandes (DSLV) vor, dass der künftige Skilehrer die Wahl des richtigen Geländes bei der Kursvorbereitung berücksichtigt.