15.05.2018
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt entschieden, dass der Einsatz sogenannter Dashcams, also Kameras, die mittels einer Haltevorrichtung im Bereich der Kfz-Frontscheibe bei der Beweisführung im Rahmen eines Unfall-Haftpflichtprozesses zulässig ist – aber nicht ohne weiteres.
Der BGH hat nämlich auch festgestellt, dass der Einsatz der Dashcams grundsätzlich gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verstößt, konkret gegen § 4, in dem postuliert wird, dass die Datenverarbeitung nur dann erlaubt ist, wenn dies auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage erfolgt.
Vertragliche Grundlagen scheiden bei einem Verkehrsunfall freilich aus, bei den gesetzlichen ließe sich an § 6 b Abs. I BDSG denken, wonach Videoüberwachung im öffentlichen Raum dann zulässig ist, wenn sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen und für zuvor festgelegte Zwecke erfolgt oder § 28 Abs. I BDSG, wonach die Erhebung personenbezogener Daten dann zulässig ist wenn zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich.
Beide Vorschriften scheinen auf den ersten Blick einschlägig zu sein. Berechtigte Interessen liegen bei dem verunfallten Autofahrer vor, denn er will mit Hilfe der Dashcam-Aufzeichnung beweisen, dass ein Fehlverhalten des Unfallgegners für den Schaden verantwortlich war. Dennoch ist dies nicht ohne weiteres zulässig, denn bei dem sogenannten anlasslosen Aufzeichnen des Verkehrsgeschehens und vor allem bei dessen Speicherung werden die Rechte sämtlicher Personen, die dabei gefilmt werden, missachtet. Im vom BGH entschiedenen Fall durfte das Datenschutz-Interesse, welches übrigens auch der Unfallgegner genießt, aber ausnahmsweise hintanstehen. Denn der Dashcam-Benutzer hatte in diesem speziellen Fall keine andere Möglichkeit, das Unfallgeschehen zu beweisen, als eben die Aufzeichnung aus seinem Wagen.
Hieraus zu folgern, der Einsatz der Dashcams sei prinzipiell zulässig, geht aber fehl. Denn Der BGH hat klar gesagt, dass die berechtigten Interessen die datenschutzrechtlichen Belange überwiegen müssen. Außerdem dürften die Aufnahmen nicht einfach gespeichert werden, sondern müssen – was technisch ohne weiteres möglich ist – permanent wieder überschrieben und dürfen nur dann gespeichert werden, wenn etwa das Gerät ein starkes Bremsmanöver oder auf das Fahrzeug einwirkende, plötzliche Kräfte, und also einen wahrscheinlichen Unfall, registriert.
Dies allein ist schon bemerkenswert weil sich das oberste deutsche Instanzengericht mit „konkreten Handlungsanweisungen“ sonst eher zurückhält. Aber es ist eben auch Beleg dafür, dass der Datenschutz als Grundrecht zwar mit der nächste Woche in Kraft tretenden Datenschutz-Grundverordnung eine neue Dimension bekommt, er allerdings nicht quasi als Monolith außerhalb der sonstigen Gesetze seht. Denn wie alle anderen Grundrechte auch unterliegt er gewissen Schranken, welche sich letztlich aus den berechtigten und ebenso mit grundrechtlichem Charakter versehenen, Interessen Anderer ergeben.
Insofern ist das Urteil ein gutes Beispiel dafür, dass die fast schon als hysterisch zu bezeichnende Aufregung, die seit einigen Monaten bei der bloßen Erwähnung des Begriffs Datenschutz-Grundverordnung einsetzt, nicht gerechtfertigt ist. Denn der Datenschutz soll und will kein Selbstzweck sein: Vielmehr ging es dem EU-Gesetzgeber in erster Linie darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie leichtfertig die meisten Unternehmen immer noch mit diesem Thema umgehen – was leider auch seine Entsprechung in der Blauäugigkeit der meisten Bürger findet wenn es darum geht, ihre Daten freiwillig preiszugeben.